05. – 20. 04. 14
splash pitti platsch
Kinder haben heutzutage eigene TV-Kanäle und Computerspiele und leben in einer phantastischen Bilderwelt, die von unzähligen Monstern, sprechenden Tieren und andere Gestalten bevölkert wird, die man konservativ als Puppen bezeichnen könnte. Noch vor 60-70 Jahren spielte kind in Deutschland fast ausschließlich mit echten Puppen und plüschigen Stofftieren und las die wenigen Kinderbücher der Eltern und Großeltern wie den ‚Struwwelpeter‘ oder ‚Max und Moritz‘. Doch in den 1950er Jahren verbreitete das Fernsehen neue Helden wie das ‚Sandmännchen‘, die Marionetten der ‚Augsburger Puppenkiste‘, amerikanische Comics und Zeichentrickfilme von Walt Disney mit Mickey Mouse oder Donald Duck bis hin zu Tierfilmen mit Lassie, Flipper und Furi.
Das alles wird der 1971 geborene Marc Taschowsky kaum kennen, obgleich ein Oldie wie der gute alte Teddybär auch bei ihm noch lebendig ist. Seine hier vorgestellten Figuren sind etwas jünger: Biene Maya, Dinos, Frosch Kermit und andere Puppen aus der Sesamstraße bis hin zu Außerirdischen aus amerikanischen Science-fiction-Filmen der 80er Jahre. Umgekehrt sind einige dieser Figuren älteren Betrachtern nicht mehr geläufig. Ein spannendes Feld für die Ikonographie der Zukunft.
Spätestens seit Paul Klee spielen die Idole der Kindheit auch in der Kunst eine Rolle. Die Malerei der Moderne, insbesondere der Surrealismus, fand in der Regression ein scheinbar unverdorbenes Reservoire der Phantasie und echten Gefühle, die man in einer von Weltkriegen gebeutelten Welt als ein Refugium entdeckte. Ja, man kann sogar noch weiter zurückschauen und in der Romantik des 19. Jahrhunderts den Beginn dieser Entwicklung sehen. Die Hinwendung zu Märchenstoffen und infantilen Sehnsüchten äußerte sich in der Malerei, die sich beispielsweise bei einem Moritz von Schwind auch in einem bewusst naiven und kinderbunten Malstil entfaltete.
In diesem Sinne erscheinen die Bilder von Marc Taschowsky kunsthistorisch interessant, insbesondere ikonografisch. Denn seine Kinderfiguren sind nicht nur süße Zitate. Jede einzelne Figur kann als eine Art moderner Archetyp betrachtet werden, als guter oder böser Charakter, lustig, frech oder traurig. In den Augen eines Kindes sind sie als Identifikationsfiguren nicht anders als die vielen Teufel und Engel der mittelalterlichen Malerei. Vor allem die Tiere verkörpern (wie schon im Mittelalter) in der Bildwelt des Marc Taschowsky das Böse: Gorilla, Orka, Weißer Hai und Jaguar sind leibhaftige Angst und Gefahr. Auch die scheinbar süßen Helden wie Pinocchio oder Biene Maya sind nicht nur süß, sie verkörpern durchaus tragische Figuren. Der Mythos einer unschuldigen und lieblichen Kindheit ist wirklich nur ein Märchen.
Im Mittelalter galten Kinder als leichte Beute des Teufels. Der Kirchenvater Augustinus glaubte, dass Säuglinge in Sünde geboren werden, als Kinder der sündigen Fleischeslust von Mann und Frau, mehr als jeder Erwachsene mit der Erbsünde Adams und Evas behaftet. „Zudem sind sie laut, launisch, eifersüchtig und triebhaft. Schwach und unschuldig sind nur die kindlichen Glieder, nicht des Kindes Seele.“ Ein Jesusbild von Marc Taschowsky macht deutlich, dass auch er sich mit unserer christlichen Kultur beschäftigt und solche Vergleiche sinnvoll sind. Damit kommen wir zu einem zweiten ikonographischen Thema, das in den Bildern des Marc Taschowsky scheinbar völlig disparat zum ersten erscheint. Während der eine Teil als Comic für Kinder ab 4 Jahren frei gegeben ist, scheint der andere Teil für Betrachter unter 16 Jahren verboten.
Die Rede ist von der Sexualität, die in unserer Kultur schon immer aus biologischen wie auch moralischen Gründen möglichst lange von Kindern fern gehalten wird. Doch in den Bildern von Marc Taschowsky sieht man Affen, Frösche und Schnecken, die miteinander kopulieren oder Frauen, die sich auf Gummipuppen selbst befriedigen. Schöne Frauen, sexy wie die Sünde, beherrschen viele seiner Bilder. Sie erscheinen als Pin-up Girl beim Posing, als nasse Nymphen und feuchte Phantasie oder als eine Art Lara Croft. Doch es gibt auch unschuldige Mädchen, die mit einem Teddy tanzen, auf einer Schaukel träumen oder als unnahbare Schönheiten auf Distanz gehen. Schon Sigmund Freud wies darauf hin, dass der libidinöse Trieb des Menschen elementar ist und in sublimierter Form die wichtigste Triebkraft des Künstlers darstellt.
In Verbindung mit dem Rekurs auf die nur scheinbar unschuldige Welt der Kindheit entwirft Marc Taschowsky mit seinen Sexsymbolen bewusst oder unbewusst Allegorien auf Unschuld und Sünde, auf das Gute und Böse in dieser Welt, auf Liebe und Gewalt. Das kann man psychologisch betrachten, oder aber einfach als eine ungeheuer dynamische Malerei, die sich in virtuoser Maltechnik mit sinnlichen Farben und tachistischen Gesten in hohem Maße ästhetisch entfesselt und damit doch die von Freud geforderte Sublimierung einlöst.
Dr. Dietmar Schuth